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U 556 wurde am 27.06.1941 im Nordatlantik südwestlich von Island durch Wasserbomben der britischen Korvetten HMS NASTURTIUM (K.107) (Lt.Comdr. Ronald-Clifford Freaker) , HMS CELANDINE (K.75) (Lt.Comdr. Aislabie Harrison) und HMS GLADIOLUS (K.34) (Lt.Comdr. Harry-Marcus Sanders) versenkt.
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U 556 konnte auf 2 Unternehmung 6 Schiffe mit 29.552 BRT versenken und 1 Schiffe mit 4.986 BRT beschädigen.
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Busch/Röll schreiben dazu:
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Ich zitiere: Am 27.06.41 im Nordatlantik südwestlich von Island am Konvoi HX.133 nach siebeneinhalbstündiger Wasserbombenverfolgung durch die britischen Korvetten NASTURTIUM, CELANDINE und GLADIOLUS zum Auftauchen gezwungen, wurde es von den Sicherungsfahrzeugen sofort unter Feuer genommen, wobei fünf Mann den Tod fanden. Erst als U 566 gesunken war, hörte der Beschuß auf und die Besatzung wurde gerettet. Zitat Ende.
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Aus Busch/Röll - Die deutschen U-Bootverluste - S. 26.
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Clay Blair schreibt dazu:
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Ich zitiere: In den frühen Morgenstunden des 27. Juni schloß sich U 556, das unter dem Ritterkreuzträger Herbert Wohlfarth gerade in Lorient zu seiner zweiten Feindfahrt aufgebrochen war einen U-Bootrudel an, daß gerade einen Geleitzug angriff. Trotz eines sehr geräuschvollen Kupplungsschadens am Backbordmotor entschied Wohlfarth, bei Tageslicht unter Wasser anzugreifen, setzte sich vor den Geleitzug und ging auf Sehrohrtiefe. Bevor er jedoch schießen konnte, ortete ihn die Korvette Nasturtium mit dem Asdic und warf ihre restlichen 20 Wasserbomben. Die britischen Korvetten Celandine und Gladiolus reagierten auf den Alarm der Nasturtium und kamen herbei. Aber beide bekamen keinen Asdic-Kontakt, und sie bezweifelten die Ortung. Doch die Nasturtium meldeten noch immer Kontakt und führte die Celandine an die vermutete Position heran.
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Die Celandine warf 24 Wasserbomben, jedoch ohne sichtbaren Erfolg. Sowohl die Celandine als auch die Gladiolus äußerten erneut Zweifel an dem >>Kontakt<<. Doch schließlich bekam auch die Gladiolus eine Ortung und führte einen Angriff mit zehn Bomben durch, nachdem auf der Wasseroberfläche ein großer Ölfleck erschien.
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Die Bomben der Nasturtium, der Celandine und der Gladiolus hatten U 556 tatsächlich schwer beschädigt. Wohlfarth stellte den lauten Backbordmotor ab, doch ein starker Wassereinbruch achtern verursachte einen Kurzschluß im Steuerbordmotor, und Wohlfarth mußte den Backbordmotor wieder in Betrieb nehmen. Aber der Wassereinbruch im Heck war so stark, daß Wohlfarth die Kontrolle über das Boot verlor und es auf 130 Meter absackte. Wohlfahrt sah seine einzige Überlebenschance darin, aufzutauchen und die Korvetten anzugreifen. Er ließ die Tauchzellen anblasen und tauchte so dicht neben der Gladiolus auf, daß er fast ihren Kiel gerammt hätte. Die Korvette war gerade im Begriff, drei von ihren zehn verbliebenen Wasserbomben zu werfen; eine polterte auf das Achterdeck von U 556 und prallte ab.
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Die Gladiolus, die Nasturtium und die Celandine eröffneten aus kürzester Distanz das Feuer mit ihren 4-Zoll-Kanonen und trafen den Kommandoturm von U 556. Das Geschützfeuer tötete einige Besatzungsmitglieder und bewog Wohlfarth, das Boot zu fluten und aufzugeben. Die Gladiolus hoffte, U 556 kapern zu können, und ließ ein Beiboot mit einem Enterkommando unter Lieutenant J.G. Gifford-Hull zu Wasser. Er fischte einen >>deutschen Offizier<< aus dem Wasser, der ihn >>helfen<< sollte. Die britischen Seeleute gelangten auf den Kommandoturm des Bootes, sahen jedoch, daß die Zentrale geflutet war, und rochen Chlorgas. Da U 556 sehr schnell sank, gab Gifford-Hull die Kaperung auf. Er mußte sich mit einem Torpedo-Wartungsheft und einer Leuchtpistole als Beute begnügen. Unterdessen nahm die Gladiolus Wohlfarth und 39 Männer seiner Besatzung an Bord. Vier Deutsche kamen bei der Versenkung um; ein weiterer starb, weil er giftige Gase aus dem Tauchretter eingeatmet hatte. Zitat Ende.
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Aus Clay Blair - Band 1 - Die Jäger - S. 375 - 376.
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Der Untergang von U 556 von Dr. Egbert Kainzbauer:
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Der Untergang von U-556 unter dem Ritterkreuzträger Kapitänleutnant Herbert Wohlfarth am 27.06.1941 im Nordatlantik südwestlich von Island, Position 60.24 N, 20.00 W, durch Wasserbomben der britischen Korvetten HMS NASTURTIUM, HMS CELANDINE und HMS GLADIOLUS. Fünf Gefallene und einundvierzig Überlebende. Aus der Sicht von Peter Wimmer, Matrose. Zusammengestellt von Dr. Egbert Kainzbauer. "Du große Scheiße!" aber jetzt geht es hinunter in den Graben mit uns! Das Boot schlingert. Krachend und zischend wird die Röhre aus Stahl auf und ab und hin und her geworfen. Die Armaturen fallen aus. Zeitweise ist es stockfinster im Boot. Das Auge kann sich nur schwer an die phosphoreszierenden Skalen gewöhnen. Wie Blitze zucken die Lichter auf, wenn der automatische Batterie-Selbstschalter für kurze Zeit die Lichter im Boot aufleuchten läßt um beim nächsten Kurzschluß wieder alles in eine Finsternis zu tauchen. Ein Inferno im Boot. Achteraus ein Wassereinbruch! Vom Junkersverdichter hat es die großen Flanschen weggerissen.
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Ein Vollstrahl schießt in das Boot! Direkt hinein in die E-Anlagen. Wie im Labor eines Hexenmeisters lösen grelle Lichtbögen aufsteigende, giftige Gase ab, die vom Verschmoren und Abbrennen der Kabel und Leitungen verursacht werden. Dazu das unaufhörliche Schlagen des Schaltautomaten. Das ist unheimlich! Verzweifelnd und trotzig zugleich hört sich dieses Knallen an. Es sind metallisch klingende, harte Schläge, die der starke Federdruck dem Eisenbügel aufzwingt. Ja es sieht förmlich so aus, als wehre er sich, wie ein waidwundes Herz eines Kampfstieres in der Arena, dass auch trotz größten Widerstandes dem tödlichen Dolchstoß nicht entrinnen kann. Jetzt verläßt ihn die Kraft. Seine Schaltschläge bleiben aus. Nun ist es nur noch ein Zucken, daß dem Flattern des Herzens in den letzten Minuten vor dem Tode gleicht. Das Wasser im Boot steigt. Der Strom und damit die Maschinen fallen aus. Das Herz steht still. Für Bruchteile von Sekunden ist es ganz ruhig. Nur den eigenen Pulsschlag fühlt jeder in seinen Adern.
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Noch leben wir. Aber schon sind die Vorboten der entsetzlichen Detonationen wieder zu hören. Ein Klirren, so als säße einer in einer leeren Blechtrommel, etwa einem Benzinfaß, auf das aus großer Höhe Kieselsteinchen einzeln aufschlagen. Das Ortungsgerät des Feindes ASDIC hat uns erneut wieder genau ausgemacht. Bald kracht es wieder und alle im Boot werden wie von einer Riesenfaust durcheinander geworfen. Serien von Wasserbomben haben den grauen Körper unseres stählernen Bootes durchgerüttelt, verbeult und aufgerissen. Der Lebenssaft, der Strom aus der Batterie ist versiegt. Wieder gleicht das U-Boot einem Kampfstier, der von den Pikadores geschwächt und mürbe gemacht wurde, ehe er sich noch einmal aufrichtet um den Todesstoß zu empfangen. So ergeht es auch uns. Genau wie der Stier vor Schwäche erst mit den Hinterbeinen einknickt und sich noch mehrmals mit letzter Kraft aufzurichten vermag, genau so wurde auch das Boot erst achterlastig, manövrierunfähig, das heißt ohne Antriebskraft.
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Der nicht zu behebende Wassereinbruch im hinteren Teil des Schiffes läßt die Zigarre nach achtern sinken. Alles was losgerüttelt wurde, Werkzeuge, Proviant, abgerissene Gegenstände, Schuhe, Kleidungsstücke und Männer, die nicht schnell genug in dieser Finsternis einen festen Halt finden konnten, sie und alles was lose war und das eingedrungene Wasser flossen und rutschten achteraus. Ein Vorgesetzter brüllte durch das Boot "Alle Mann voraus!" Über Hindernisse, durch Luken und Schotte, über Torpedos und über zu Fall gekommene Kameraden stürmten jene, die nervlich diesen Kletterpartien im Dunkel der Röhre noch gewachsen sind, bis vor zu den Torpedoluken in den Bugraum. Das Boot sank! Ein Stillstand für ganz kurze Zeit. Doch schon kam das Wasser wieder daher, alles Lose mit sich reißend. Dazwischen Wasserbomben. "Alle Mann achteraus!" Ohne Antrieb sank das Schiff unaufhaltsam tiefer. Die Tiefenmesser fielen aus. Nur ein kleiner Druckmesser in der Pilsch, der außer bei der routinemäßigen Überprüfung des Bootes eigentlich nie beachtet wurde, war noch heil. Unglaublich, er zeigte zweihundertachzig Meter Wassersäule an. Noch immer fiel das Boot!
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Es näherte sich der dreihundert Meter Grenze. Das mußte das Ende für uns alle sein. Jetzt brauchte auch keiner mehr ein Kommando zu geben. Die paar beherzten Männer, die noch nicht vor Schrecken wie gelähmt waren, oder durch einen Aufschlag bewußtlos in irgend einer Ecke eingeklemmt lagen, die liefen und turnten sich nun von selbst voraus und achteraus und hantelten sich von Schott zu Schott und wieder zurück, damit das Boot noch einmal für kurze Zeit eine einigermaßen waagrechte Lage einnahm. "Ja, jetzt - schnell! Jetzt könnte noch ein Wunder geschehen!" In einer Tiefe von dreihundert Metern unter der Wasseroberfläche schwebte das Wrack noch einmal waagrecht. Auf diesen Augenblick hatten wir und der Kapitän gehofft. Doch keiner hatte mehr daran geglaubt. Nun gab er schon den Befehl "Druckluft auf alle Zellen!" Eine unsichtbare Kraft floß zischend von den unversehrt gebliebenen Druckluftflaschen zu den mit Wasser gefüllten Tauchzellen an der Außenseite des Druckkörpers. Hoffentlich waren sie dicht geblieben! Bestimmt, denn an der Unterseite sind sie offen. Sie sind geflutet und mußten daher auch keinen Wasserdruck und keinem Druck der Detonationswellen von den Wasserbomben standhalten. Unheimlich die Spannung! Wird der Luftvorrat reichen? Werden die Tauchzellen, die sich nun mit Luft füllen und mit jedem Meter den das Boot steigt, mehr Wasser nach unten wegdrängen, werden diese Ausbauchungen aus dünnem Blech die Fahrt zur Meeresoberfläche, durch den Hagel von Wasserbomben hindurch, überstehen?
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Von der Luft getragen, nicht mehr von Menschen kontrolliert, schwebte das kampfunfähige U-Boot aus der Tiefe nach oben. Aus der Finsternis zum Licht. Das Wunder war geschehen. Wie wenn man ein Stück Holz unter Wasser ausläßt, das durch den eigenen Auftrieb nach oben schwimmt und aus dem Wasser schießt, genau so schlug auch das Boot auf der langen Dünung der Wasseroberfläche auf. Es schwamm! Es schlingerte! Es war ganz ruhig! Für einige Rettung, für andere Todesstoß zugleich. Sie hatten nicht die Kraft, in Feindeshand weiter zu leben. Sie blieben im Boot. Treu dem Gelöbnis, das sie gaben - sanken sie mit dem Boot hinab in die ewige Finsternis. Für andere war es eine Verpflichtung weiter zu leben. Für Frau und Kinder, für die Braut oder einfach nur für die Mutter. Obwohl noch keiner wußte, mit Ausnahme derer, die sich dem Tode geweiht hatten, was die Zukunft bringen sollte, waren sie alle auf ihre Art froh erlöst oder gerettet zu sein. Erlöst von den Qualen der vorangegangenen Stunden, während denen das Boot gegen eine Übermacht standhielt. Wiederum einem Kampfstier gleich - gemartert, zerschunden und kampfunfähig gemacht - richtete es sich noch einmal auf, steigt hinauf zum Licht um regungslos den Gnadenschuß zu erhalten. Ein hoher Überdruck herrschte im Boot, als der Kapitän das Turmluk aufdrückte. Einem schweren Seufzer gleich entströmte die verbrauchte Geräteluft dem Bootsinneren und kühle, frische Meeresluft strömte zurück. Zeitweise, wenn das Turmluk frei war, fiel ein Lichtstrahl hinein in den Turm.
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Geisterhaft und unwirklich wurde dadurch das Chaos in der Zentrale stellenweise beleuchtet. Der Kapitän sah als erster den blauen Himmel, die Sonne, das Licht. Die Augen versagten ihm beinahe den Dienst, so sehr wurden sie überfordert nach so langer Dunkelheit. Er sah aber auch die Übermacht, die kreisförmig postiert auf uns wartete und für einen heißen Empfang materialmäßig und moralisch gut vorbereitet war. Sie begrüßten uns mit einem Geschoßhagel aus allen Bord- und Handfeuerwaffen. Ein Salut nach Protokoll, wie er nur bei allerhöchsten Staatsbesuchen eingeübt und vorgespielt wird. Diese Gastgeber schossen allerdings scharf. Sie schossen mit einer unvorstellbaren Begeisterung und einem nicht verständlichem Fleiß, als wollte jeder von ihnen noch ein persönlich erlegter Skalp an seinen Gürtel hängen. Wenn nur die Tauchzellen, die Luftpolster auf denen das halbvoll gelaufene Boot nur mühsam über Wasser gehalten wurde, dicht blieben! Ein paar Einschüsse hätten genügt und für die Männer, die noch nicht im Turm oder wenigstens in der Zentrale waren, hätte es keine Hoffnung mehr auf Rettung gegeben. Diese Lage machte es dem "Alten" leicht, den letzten Befehl zu geben.
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Einen Befehl, der jede Verbindung mit der Vergangenheit abbrach, der nur das nackte Leben eines Seemannes retten sollte: "Alle Mann über Bord - rette sich wer kann!" Mit ihm konnte ein ganzer Haufen, eben die Leute, die sich schon nicht mehr so weit vom Turm und Zentrale entfernt haben, aussteigen. Einige, darunter auch ich, waren bis zum Schluß durch das Boot geturnt. Wir waren somit auch zeitmäßig viel später zum Aussteigen dran. Schwimmweste und Tauchretter war auf meiner Gefechtsstation, dem Vorhalterechner in der Zentrale, auch keine, keiner mehr. Die waren wohl während des Höllentanzes "verschütt" gegangen. "Aber was - jetzt nichts wie raus!" Ob mit oder ohne Schwimmweste. Jetzt fiel auch noch das Turmluk zu. Wieder war es absolut finster in der Röhre! Verdammte Scheiße! Schnell turnte ich zum Luk hinauf. Den Weg kannte ich im Schlaf. Das war mein Bereich. Viele Male war ich diese zwei Eisenleitern hinaufgeklettert und bei Alarm herunter gerutscht. Hinter mir kamen noch zwei nach. Der Steuermann war auch dabei. Ich stemmte mich gegen das runde, eiserne Schott. Fast kam ich mir wie der Käp’tn vor, denn das war seine Arbeit. Aber nur ein schmaler Spalt ließ sich aufmachen. Da mußte ein schwerer Gegenstand darauf liegen. Doch durch meine Kraft allein wurde das Luk nicht soweit frei, daß wir uns hindurch zwängen könnten.
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Vereint und mit aller Kraft gelang es, das sperrende Hindernis wegzuquetschen. Es war ein Maschinenmaat, den beim Aussteigen ein Salutschuß, der Geller einer Bordkanone, der vom Sehrohrbock abprallte, in der Gürtelhöhe durchschlug. Gut, daß er schon tot war. Wir hätten ihn wegdrücken müssen, auch wenn er vor Schmerzen noch so laut geschrien hätte. Nun aber hinein in das rettende Wasser! Frei sein! Ein Glücksgefühl, eine unbeschreibliche innere Freude und das, obwohl das Mißgeschick vollständig war. Sonnenschein, eine lange Dünung und ein blauer, wolkenloser Himmel machten das Maß an Wonne voll. Ein seltenes Glück für Schiffbrüchige und eine nicht häufig anzutreffende Harmonie im Nordatlantik. Doch hoppla - was war das? Jetzt wurde ich erst die nähere Umgebung gewahr. Überall spritzten Wasserfontänen auf. So als würden kiloschwere Regentropfen aufschlagen. Dazwischen stiegen gelbe Rauchschwaden auf. Oh gute Nacht! Das waren ja alte Bekannte. Das waren die Aufschläge der Salutschüsse, die unsere Bezwinger und zukünftigen Gastgeber in ihrem Freudentaumel aus allen Rohren auf uns abfeuerten. Eine groteske Lage in der wir uns jetzt befanden.
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Schon wieder mußten wir paar Männer, die weit ab vom großen Haufen, einsam und allein im Atlantik schwammen, U-Boot spielen. Jedes Mal, wenn uns die Dünung hochtrug, gab der Kopf ein leicht zu treffendes Ziel ab. Klar, jeder Jäger freut sich über einen gut angebrachten Schuß mehr, als wenn er sein Wild nur angeschweißt hat. Darum, wie gelernt, schnell einen kurzen Rundblick nehmen, Luft holen und mit dem Poller wegtauchen. Wenn es auch nicht jedes Mal so gut gelang, das Gefühl mit dem Kopf unter dem Wasser zu sein, beruhigte. Eine Art von "Vogel-Strauß-Politik", denn ein Schuß aus einer Bordkanone in den Arsch hätte genauso seine Wirkung getan. Diese seltene Art von einer Treibjagd war für uns jedoch auch sehr beruhigend. Das hört sich im ersten Moment recht komisch an. Klar, wir wußten dadurch genau, daß sie uns noch im Auge behalten und uns am Ende doch noch aus dem Wasser ziehen würden. Wie oft ich auf diese Art auf einer Düne hochgetragen wurde und wieder weggetaucht bin, ich weiß es nicht. Tatsache ist, daß ich bei den Rundblicken nach allen Himmelsrichtungen ein ganz eindrucksvolles Gesamtbild bekam. Da war ein Leben auf diesem kleinen Stückerl des Nordatlantik!
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Das Gros der Besatzung und mit ihnen der "Alte" war weit weg von uns. Rundherum feindliche Schiffe, die einer Jagdgesellschaft gleich, auf die Verteilung der Trophäen und auf die Atzung zu warten schienen. Von unserem U-Boot schaute nur noch der Bug steil aufragend aus dem Wasser heraus. Hinter uns schwammen keine Kameraden mehr. Aber es waren doch noch welche an Bord! Den LI habe ich genau gesehen, als ein Lichtstrahl in die Zentrale fiel. Ja, auch er war einer von denen, die mit dem gegebenen Gelöbnis nicht brechen konnten. Da, die Kanadier haben ein bemanntes Schlauchboot zu Wasser gelassen. Die wollen das U-Boot entern! Nein, sie gehen wieder an Bord ihrer Korvette zurück. Was soll das Manöver?" Sie ließen das Schlauchboot zurück! Klar, die hatten sich das Entern des sinkenden Schiffes noch einmal gründlich überlegt. Immer steiler ragte der Bug des U-Bootes auf. In eventuell erreichbarer Entfernung trieb das Schlauchboot der Korvette. Was für ein Glück! Knapp vor dem rettenden Ziel fuhr noch einmal eine Korvette zwischen uns Schwimmenden und dem Schlauchboot durch. Die Bugwelle warf uns wie Bojen auf und ab. Ein unruhiges Ziel für einen Blattschuß. An der Reling standen die Seeleute und ich beobachtete es aus nächster Nähe, wie ein Bootsmann, ein älterer Seemann, einem jungen "Lord" das Gewehr mit den Worten "Stop that nonsens" aus der Hand riß. Die Jagdlust der Männer war einerseits verständlich, sie wurden ja auch schonungslos gejagt und gehetzt in diesem grauenvollen Krieg.
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Der Schmatting ältester Unteroffizier allerdings, der ältere Seemann, er war noch einer von der alten Generation, die vor der sinnlosen Abknallerei ein Halt machte. Vielleicht war er selbst schon in der gleichen Lage gewesen? Nur so kann ich es verstehen, daß er sich gegen die triumphierende Besatzung durchsetzen konnte und uns rettete. Seiner Seele aber auch ein gutes Werk beistellte, wenn für ihn die gleiche Stunde schlagen sollte. Wir erreichten das Schlauchboot. Jetzt wurde auch das Feuer eingestellt. Von dem U-Boot ragte nur noch die senkrecht zum Firmament zeigende Bugspitze heraus. Komisch! Noch immer zeigte es die Zähne. Es sah immer noch gefährlich aus. Aber es waren nur die Ansätze der Netzsäge, die sich in der Silhouette scharf und zackig abzeichneten. "Wie viele Kameraden werden noch im Boot sein? Vielleicht atmen sie noch in einer Luftblase, die sich im senkrecht aufgestellten Bugraum gebildet haben muß?" Die Reste der Luftblasen in den Tauchzellen, besonders der Tauchzelle fünf, hielten noch immer ein Stückchen des Bootes über Wasser. Keine Zeit zu Grübeleien oder für sentimentalen Gedanken. So schnell wir konnten, ruderten wir das Schlauchboot zu dem großen Haufen, zu unseren Kameraden. Die erschöpften und verwundeten Männer zogen wir in das Boot herein. Die anderen konnten sich an dem Kentertau, dass außenbords rund ums Schlauchboot angebracht war, festhalten.
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Das Schlauchboot war nicht nur unsere Rettungsinsel, es stand auch im Inventar unserer zukünftigen Gastgeber, die bis vor wenigen Stunden noch unsere sogenannten, erbitterten Feinde waren. Ob das auch mit ein Grund war, weshalb sie uns alle, die überlebten, aufnahmen? Mit einem Hakenschlag um das Handgelenk wurden wir der Reihe nach von kräftigen Männern an Bord gehievt. Ihr Gesicht zeigte nicht mehr den unergründlichen Haß oder das triumphierende Lächeln, das ihnen eigen war, als sie am Höhepunkt ihres Sieges standen und wahllos den einen oder den anderen auf's Korn nahmen und sein Lebenslicht ausblasen hätten können. Jetzt machten schon einige von ihnen einen besorgten, fast fürsorglichen Eindruck beim Anblick von solchen entkräfteten Kreaturen, wie wir es waren. Zitternd vor Kälte und Schockeinwirkung standen alle von uns zähneklappernd und auf wackeligen Beinen, an Deck der Korvette. Ein Gedanke jagte mir durch den Kopf! "Wo ist unser U-Boot? Wo sind die Kameraden, die noch hinter uns einher schwimmen sollten, die noch fehlten?" Gerade noch im rechten Augenblick konnte ich mich an den nackten Leibern vorbei zur Reling drängen.
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Wir mußten uns nämlich alle ganz entkleiden, bevor wir vorerst in eine leerstehend Pickslast eine Art Abstellkammer gesperrt wurden. Nicht ohne Grund, denn erstens wollten die Sieger alle Taschen nach eventuellen Aufzeichnungen durchsuchen und zweitens wird einem, wenn man nackt und fest aneinander gedrängt in einem Raum beisammen ist, viel schneller warm, als wenn man die nassen Klamotten erst am Leibe trocken lassen muß. Wirklich in letzter Minute hatte ich freie Sicht zu unserem im Sinken liegenden U-Boot. Ohne Lärm oder Aufsehens, nur begleitet von einer kleinen Wasserfontäne, die auf entweichende Luft schließen ließ, versank der Bug, wie einer der wegtauchenden Wale, die wir so oft beobachten konnten. Genau so ruhig, fast friedlich versank das Boot. Es ging zurück in seinen Lebensraum für den es gebaut wurde, nur um unendlich tiefer zu tauchen und um nie mehr wieder zu kehren.
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Mit ihm gingen auch jene Kameraden, die sich ein Leben in Gefangenschaft nicht ausdenken konnten. Sie waren in einem Geist erzogen worden, der keine Kompromisse kannte. Ehre ihrem Gedenken. An Bord wurden wir gut behandelt. Nach einigen Stunden bekamen wir unsere Klamotten wieder trocken zurück. Ein "Moses" Schiffsjunge, jüngster an Bord brachte sogar für jeden eine Player‘s Navy Cut zum Rauchen. Fast ein Grund bald wieder übermütig zu werden. Nach drei Tagen Seefahrt gingen wir in Reykjavik auf Island an Land, von wo mich mein weiterer Weg über verschiedene Gefangenenlager schließlich als POW bis nach Canada brachte. Aber das ist eine andere Geschichte ...
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(Dieser Artikel wurde von Dr. Egbert Kainzbauer, für "U-Boot - Die Geschichte der dt. WK-II U-Boote" Carsten Corleis zur Verfügung gestellt. Copyright © 2000 by Peter Wimmer and Dr. Egbert Kainzbauer. All Rights Reserved).
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